Aminosäuren: Ihre Rolle, Bedarf und Verbreitung im Körper
Aminosäuren sind nicht nur die Grundbausteine von Proteinen, sondern sie erfüllen auch zahlreiche weitere wichtige Funktionen im menschlichen Organismus. Einige Aminosäuren sind essenziell und müssen über die Nahrung aufgenommen werden, während andere vom Körper selbst produziert werden können. Hier finden Sie umfassende Informationen über Aminosäuren und ihre vielfältigen Aufgaben.
Aminosäuren: Teil unserer Aminosäure-Serie beim ZDG
Dieser Artikel markiert den Auftakt unserer Aminosäure-Serie. Hier erhalten Sie zunächst grundlegende Informationen über Aminosäuren. Im Verlauf unserer Serie werden wir jedoch jeden einzelnen Aminosäuretypus ausführlich behandeln, ihre Wirkungen und Eigenschaften erläutern und aufzeigen, wie sie zur Linderung spezifischer Beschwerden eingesetzt werden können. Zudem bieten wir eine Tabelle mit dem täglichen Bedarf an Aminosäuren als PDF-Download an.
Die Definition von Aminosäuren
Aminosäuren, auch als Aminocarbonsäuren bezeichnet, sind organische Verbindungen. Der Begriff “organisch” bezieht sich auf Verbindungen, die Kohlenstoff enthalten. Aminosäuren setzen sich aus einem zentralen Kohlenstoffatom (C) zusammen, das mit einem Wasserstoffatom (H), mindestens einer Aminogruppe (NH2), mindestens einer Carboxylgruppe (COOH) und einer variablen Seitenkette, dem sogenannten Rest, verbunden ist.
Die spezifische Aminosäure wird durch die Art der Seitenkette definiert. Beispielsweise besteht die Seitenkette der Aminosäure Glycin nur aus einem Wasserstoffatom (H), wodurch sie die einfachste Aminosäure ist. Ebenso simpel ist Alanin, dessen Seitenkette lediglich aus einer Methylgruppe besteht, die aus einem weiteren Kohlenstoffatom mit drei Wasserstoffatomen besteht. In anderen Aminosäuren kann die Seitenkette jedoch erheblich komplexer sein. Lysin, zum Beispiel, besitzt eine Seitenkette, die aus vier zusätzlichen Kohlenstoffatomen (samt ihren jeweiligen Wasserstoffatomen) sowie einer weiteren Aminogruppe am Ende der Kette besteht.
Aminosäuren kommen in sämtlichen Lebensformen vor, seien es Menschen, Tiere, Pflanzen, Pilze, Viren oder Bakterien. Im menschlichen Körper erfüllen Aminosäuren verschiedene Aufgaben, darunter die Funktion als Neurotransmitter, Hormone, Enzyme oder Bausteine für Proteine.
Wie viele Aminosäuren sind bekannt?
In der Natur sind über 400 verschiedene Aminosäuren vorhanden, die in proteinogene (proteinaufbauende) und nicht-proteinogene Aminosäuren unterteilt werden. Proteinogene Aminosäuren sind diejenigen, die als Bausteine für Proteine dienen. Der menschliche Körper benötigt jedoch nur 21 Aminosäuren, um Proteine zu bilden.
Nicht-proteinogene Aminosäuren erfüllen vielfältige andere Aufgaben. Beispiele hierfür sind das Schilddrüsenhormon Thyroxin und der Neurotransmitter GABA. GABA wird auch als Nahrungsergänzungsmittel zur Linderung innerer Unruhe verwendet und soll bei der Entspannung helfen.
In der Regel bezieht sich der Begriff “Aminosäuren” auf proteinogene Aminosäuren. Dieser Artikel konzentriert sich hauptsächlich auf diese Gruppe von Aminosäuren.
Unterschied zwischen Peptiden und Proteinen
Aminosäuren können entweder einzeln als freie Aminosäuren existieren oder sich zu längeren Ketten verbinden. Wenn eine Kette weniger als 100 Aminosäuren enthält, spricht man von einem Peptid, während Ketten mit mehr als 100 Aminosäuren als Proteine bezeichnet werden. Peptide lassen sich weiter unterteilen in:
– Dipeptid: Besteht aus 2 Aminosäuren
– Tripeptid: Besteht aus 3 Aminosäuren
– Oligopeptid: Besteht aus bis zu 10 Aminosäuren
– Polypeptid: Besteht aus 11 bis 100 Aminosäuren
Aminosäureketten können aus einer unendlichen Anzahl von Aminosäurekombinationen bestehen. Obwohl es nur 21 proteinogene Aminosäuren gibt, können daraus etwa 100.000 verschiedene Proteine hervorgehen, die wiederum in verschiedene Kategorien unterteilt werden, darunter Transportproteine, Strukturproteine und Bewegungsproteine, wie im nächsten Abschnitt erläutert.
Was passiert mit Aminosäuren im Körper?
Aminosäuren gelangen überwiegend in Form von Proteinen in unseren Körper und werden während des Verdauungsprozesses in einzelne Aminosäuren aufgespalten. Diese freien Aminosäuren werden anschließend von der Darmschleimhaut aufgenommen und in den Blutkreislauf abgegeben. Es sei angemerkt, dass freie Aminosäuren in Lebensmitteln nur in geringen Mengen vorkommen.
Unser Körper kann nun aus den verfügbaren Aminosäuren die spezifischen Proteine herstellen, die er benötigt. Grundsätzlich benötigt unser Organismus keine vollständigen Proteine, sondern “nur” die Aminosäuren, aus denen er seine eigenen körpereigenen Proteine synthetisieren kann.
Zusätzlich erfolgt im Körper kontinuierlich der Abbau und die Erneuerung bereits vorhandener Proteine, wodurch ebenfalls freie Aminosäuren zur Verfügung stehen, die wiederum recycelt werden können, indem sie immer wieder zu Proteinen zusammengefügt werden.
Ein Teil der aufgenommenen Aminosäuren wird jedoch direkt in der Darmschleimhaut verwendet. Diese Schleimhautzellen haben eine hohe Abhängigkeit von der Zufuhr von Aminosäuren und haben Vorrang vor anderen Geweben wie der Muskulatur. Ein erheblicher Anteil der Aminosäuren, etwa die Hälfte, gelangt in die Leber, da dort viele körpereigene Proteine produziert werden.
Besonders die verzweigtkettigen Aminosäuren Isoleucin, Leucin und Valin (kurz BCAA für Branched Chain Amino Acids) werden hauptsächlich direkt in der Muskulatur verarbeitet und dort für den Aufbau und die Regeneration der Muskeln verwendet.
Wie erfolgt die Herstellung körpereigener Proteine aus Aminosäuren?
Die Herstellung körpereigener Proteine wird als Proteinbiosynthese bezeichnet. Dieser Vorgang ist äußerst komplex, und wir werden ihn hier vereinfacht beschreiben:
Damit ein Protein hergestellt werden kann, benötigt es einen Bauplan, der in Form unserer DNA im Zellkern gespeichert ist. Wenn ein bestimmtes Protein benötigt wird, wird der Abschnitt der DNA, der den Bauplan für dieses Protein enthält, zuerst “abgelesen”. Da der Bauplan im Zellkern ist und die Proteinherstellung im Zellplasma stattfindet, darf der Bauplan den Zellkern nicht verlassen.
Die RNA-Polymerase, ein Enzym, übernimmt das Ablesen der DNA und erstellt eine Kopie des Bauplans. Diese Kopie, die den Bauplan für das benötigte Protein enthält, wird als mRNA bezeichnet. Die mRNA spielt eine zentrale Rolle und ist vielen durch die Verwendung in mRNA-Impfstoffen, beispielsweise für das Spikeprotein des SARS-CoV-2-Virus, bekannt.
Sobald die mRNA von der RNA-Polymerase erstellt wurde, kommen die Ribosomen ins Spiel. Ribosomen sind kleine Zellorganellen, die die Aminosäuren gemäß dem Bauplan in der mRNA zu einem Protein zusammenfügen. Dabei wird die tRNA (transfer RNA) verwendet, die als “Handlanger” der Ribosomen fungiert und die benötigten Aminosäuren herbeischafft.
Welche Aufgaben erfüllen Aminosäuren im Körper?
Aminosäuren erfüllen im Körper zahlreiche Aufgaben, wenn sie in Form von Proteinen vorliegen:
- Transportproteine: Diese Proteine transportieren andere Substanzen im Körper von einem Ort zum anderen, beispielsweise Transferrin, das Eisen transportiert, oder Low-Density Lipoprotein (LDL), das für den Cholesterintransport verantwortlich ist. Hämoglobin ist ein weiteres Beispiel und transportiert Sauerstoff im Blut.
- Strukturproteine: Strukturproteine sind oft faserartige Proteine und zeichnen sich durch ihre Stabilität aus. Ein bekanntes Strukturprotein ist Kollagen, das in Knochen, Knorpeln, Sehnen und Bändern vorkommt. Keratin ist ein weiteres Strukturprotein und findet sich in Nägeln und Haaren.
- Bewegungsproteine: Bewegungsproteine, auch Motorproteine oder kontraktile Proteine genannt, ermöglichen die Bewegung von Muskeln, wie Myosin und Actin, oder von anderen Strukturen im Körper. Zum Beispiel sind Flimmerhärchen in den Lungen und Atemwegen Bewegungsproteine, die durch ihre Bewegungen den Schleimtransport und die Reinigung unterstützen.
- Hormone, Enzyme und Antikörper: Einige Hormone (wie Insulin und Glucagon), die meisten Enzyme und alle Antikörper gehören ebenfalls zur Gruppe der Proteine und erfüllen wichtige regulatorische und immunologische Funktionen im Körper.
Was bedeutet das “L” vor den Aminosäuren?
Aminosäuren können in einer sogenannten “L-” und “D-“Konfiguration vorkommen, basierend auf ihrer räumlichen Anordnung. Die “D-Aminosäuren” sind nicht proteinogen, was bedeutet, dass sie nicht für die Proteinsynthese verwendet werden. Alle Aminosäuren, die für die Proteinsynthese im Körper benötigt werden, sind “L-Aminosäuren”. In Texten wird oft das “L” weggelassen, daher wird beispielsweise bei Tryptophan eigentlich “L-Tryptophan” gemeint. Dies gilt auch für alle anderen “L-Aminosäuren”.
Die Konfiguration einer Aminosäure hängt von der räumlichen Anordnung der Aminogruppe im Verhältnis zum zentralen Kohlenstoffatom ab. In der “L-Konfiguration” (L von lateinisch “laevo” für links) befindet sich die Aminogruppe auf der linken Seite des zentralen Kohlenstoffatoms. Die “D-Konfiguration” (D von lateinisch “dextro” für rechts) ist spiegelbildlich dazu aufgebaut, wobei die Aminogruppe auf der rechten Seite des zentralen Kohlenstoffatoms liegt.
Warum kann der Körper nicht alle Aminosäuren selbst herstellen?
Die Fähigkeit des menschlichen Körpers, alle benötigten Aminosäuren selbst zu synthetisieren, ging im Laufe der Evolution verloren. Dieser Verlust erwies sich als evolutionärer Vorteil, da er Energie einsparte und somit das Überleben begünstigte. Allerdings resultierte daraus die Abhängigkeit des Menschen von der Zufuhr dieser Aminosäuren über die Nahrung.
Welche Aminosäuren kann der Körper nicht selbst herstellen?
Aminosäuren, die der Körper nicht eigenständig produzieren kann, werden als unentbehrliche Aminosäuren bezeichnet, die früher als essentiell galten. Diese müssen über die Nahrung aufgenommen werden. Insgesamt gibt es 9 unentbehrliche Aminosäuren:
- Isoleucin
- Leucin
- Lysin
- Methionin
- Phenylalanin
- Threonin
- Tryptophan
- Valin
- Histidin (historisch nicht als essentiell betrachtet)
Es ist zu beachten, dass Histidin ursprünglich nicht als unentbehrliche Aminosäure betrachtet wurde, aber später als solche klassifiziert wurde. Einige Quellen erwähnen daher 8 unentbehrliche Aminosäuren, da die Einstufung von Histidin umstritten ist.
Welche Aminosäuren kann der Körper selbst herstellen?
Aminosäuren, die der Körper eigenständig herstellen kann, werden als entbehrliche Aminosäuren bezeichnet, die früher als nicht-essentiell galten. Diese müssen nicht zwangsläufig über die Nahrung aufgenommen werden, da der Körper sie selbst synthetisieren kann. Es gibt insgesamt 12 entbehrliche Aminosäuren, von denen 8 häufig als semi-essentiell bezeichnet werden:
- Alanin
- Arginin (semi-essentiell)
- Asparagin (semi-essentiell)
- Asparaginsäure
- Cystein (semi-essentiell)
- Glutamin (semi-essentiell)
- Glutaminsäure
- Glycin (semi-essentiell)
- Prolin (semi-essentiell)
- Serin (semi-essentiell)
- Selenocystein
- Tyrosin (semi-essentiell)
Die semi-essentiellen Aminosäuren
In der wissenschaftlichen Gemeinschaft herrscht bedauerlicherweise keine einheitliche Meinung über die Klassifizierung der Aminosäuren, was zu unterschiedlichen Angaben in verschiedenen Quellen führt. Allerdings besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass neben den essentiellen und nicht-essentiellen Aminosäuren auch semi-essentielle Aminosäuren existieren. Der Begriff “semi” deutet auf ihre Halbbedeutung hin, da der Körper diese Aminosäuren in der Regel selbst herstellen kann, jedoch nicht immer. In bestimmten Situationen, in denen die körpereigene Produktion nicht ausreicht, müssen diese semi-essentiellen Aminosäuren aus der Nahrung aufgenommen werden.
In der wissenschaftlichen Literatur werden typischerweise Cystein, Tyrosin und Arginin als semi-essentielle Aminosäuren betrachtet:
- Cystein: Der Körper kann Cystein normalerweise aus der essentiellen Aminosäure Methionin herstellen. Wenn jedoch Methionin in der Nahrung fehlt oder unzureichend vorhanden ist, muss auch die Nahrung ausreichend Cystein enthalten. Da die meisten Lebensmittel sowohl Cystein als auch Methionin enthalten, nimmt man in der Regel beide Aminosäuren gemeinsam auf. Ein isolierter Mangel an Methionin oder Cystein ist daher selten.
- Tyrosin: Tyrosin wird aus der essentiellen Aminosäure Phenylalanin synthetisiert. Wenn Phenylalanin fehlt, muss auch die Zufuhr von Tyrosin in der Nahrung sichergestellt sein. Dies ist insbesondere bei Menschen mit der angeborenen Stoffwechselstörung Phenylketonurie der Fall. Diese Personen müssen eine phenylalaninarme Ernährung einhalten und gleichzeitig auf eine ausreichende Tyrosinversorgung achten. Auch bei kleinen Kindern ist die Tyrosinzufuhr über die Nahrung notwendig, da ihnen das Enzym Phenylalaninhydroxylase fehlt, das Phenylalanin in Tyrosin umwandeln kann.
- Arginin: Säuglinge sind nicht in der Lage, Arginin in ausreichenden Mengen selbst zu produzieren. Daher nehmen sie Arginin über die Muttermilch auf. In der Vergangenheit wurde Histidin ebenfalls zu den semi-essentiellen Aminosäuren gezählt, da die körpereigene Produktion selbst bei Erwachsenen nicht ausreicht und sie daher auch Histidin hauptsächlich aus der Nahrung beziehen. Heute wird Histidin jedoch als essentielle Aminosäure für alle Menschen betrachtet.
Zusätzlich zu diesen Aminosäuren wird in einigen wissenschaftlichen Beiträgen auch diskutiert, ob Glycin, Prolin, Serin, Glutamin und Asparagin als semi-essentielle Aminosäuren betrachtet werden sollten. Es gibt keine einheitliche Meinung darüber, da der Bedarf an diesen Aminosäuren von verschiedenen Faktoren abhängt, wie zum Beispiel dem individuellen Gesundheitszustand oder besonderen Lebensphasen. In bestimmten Situationen, wie bei schweren Krankheiten oder Verletzungen, kann der Bedarf an diesen Aminosäuren erhöht sein, da sie für die Gewebereparatur und andere wichtige Prozesse im Körper benötigt werden.
Die Kategorisierung der Aminosäuren in semi-essentielle Aminosäuren ist in der wissenschaftlichen Gemeinschaft nicht einheitlich und unterliegt verschiedenen Einschätzungen. Einige Forschungsarbeiten ziehen die Aminosäuren Glycin, Prolin, Serin, Glutamin und Asparagin in Betracht, während andere dies nicht tun. Daher gibt es keine allgemein anerkannte Einordnung dieser Aminosäuren als semi-essentiell.
In bestimmten Situationen, wie Krankheit, Verletzungen oder erhöhtem Stress, wurde jedoch festgestellt, dass der Körper möglicherweise nicht ausreichend mit diesen Aminosäuren versorgt ist. Beispielsweise benötigen Krebszellen in der Umgebung von Tumoren oft große Mengen an Glutamin, Serin und Asparagin, wodurch diese Aminosäuren in solchen Regionen möglicherweise knapp sind.
In einigen Fällen kann auch der Bedarf an Aminosäuren erhöht sein, wenn die körpereigene Produktion nicht ausreicht. Dies gilt insbesondere für Verbrennungsopfer oder Personen mit schweren Verletzungen, bei denen der Bedarf an Prolin und Glutamin erhöht ist. Prolin ist ein wichtiger Bestandteil des Bindegewebes und spielt eine Schlüsselrolle in der Wundheilung und Gewebereparatur, insbesondere bei Verbrennungen. Glutamin dient den Zellen des Immunsystems als Energiequelle, weshalb Personen mit schweren Erkrankungen häufig niedrigere Glutaminspiegel aufweisen als gesunde Menschen.
Einige Forscher vertreten die Ansicht, dass Glycin in fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadien möglicherweise als semi-essentielle Aminosäure betrachtet werden sollte. Dies basiert auf der Annahme, dass der Bedarf an Glycin bei schwangeren Frauen ab der 35. Schwangerschaftswoche möglicherweise nicht mehr allein durch die körpereigene Produktion gedeckt werden kann. Glycin ist ein Hauptbestandteil vieler Proteine, darunter Kollagen. Kollagen wiederum ist für die Entwicklung von Haut, Knochen, Knorpel, Sehnen und Bändern von entscheidender Bedeutung. Daher wird vermutet, dass der sich entwickelnde Fötus möglicherweise höhere Mengen an Glycin benötigt, um ausreichend Kollagen für sein Wachstum zu produzieren.
Es ist wichtig anzumerken, dass im deutschsprachigen Raum manchmal auch zwischen semi-essentiellen Aminosäuren und bedingt-essentiellen Aminosäuren unterschieden wird. Semi-essentielle Aminosäuren sind Aminosäuren, für deren Synthese der Körper essentielle Aminosäuren benötigt, während bedingt-essentielle Aminosäuren solche sind, die der Körper nur in bestimmten Lebenssituationen nicht ausreichend produzieren kann.
Die unverzichtbaren/essentiellen Aminosäuren haben vielfältige Aufgaben im menschlichen Körper. Im Folgenden werden wir genauer auf diese Aminosäuren eingehen und ihre Funktionen erläutern.
Isoleucin, Leucin und Valin (BCAA)
Diese drei essentiellen Aminosäuren, nämlich Isoleucin, Leucin und Valin, werden oft als verzweigtkettige Aminosäuren (BCAA) bezeichnet, aufgrund ihrer chemischen Struktur. Hier sind einige ihrer Hauptaufgaben:
- Muskelaufbau und -erhalt: BCAA spielen eine entscheidende Rolle beim Aufbau, der Regeneration und dem Erhalt von Muskelgewebe. Sie sind maßgeblich an der Proteinbiosynthese in den Muskeln beteiligt.
- Direkte Verarbeitung in der Muskulatur: Im Gegensatz zu vielen anderen Aminosäuren werden BCAA hauptsächlich in der Muskulatur verarbeitet und nicht primär in der Leber.
- Kontraktile Proteine: BCAA sind ein wesentlicher Bestandteil der kontraktilen Proteine, insbesondere Aktin und Myosin, die für die Kontraktion der Muskeln verantwortlich sind. Etwa 35 Prozent der Muskelproteine bestehen aus BCAA.
- Wachstumsförderung: BCAA fördern die Freisetzung des Wachstumshormons Somatotropin, das wiederum das Wachstum von Muskeln, Knochen und Knorpel anregt.
- Stressabbau: Sie reduzieren die Ausschüttung von Cortisol, einem Stresshormon. Dies hemmt den Muskelabbau und fördert die Aufnahme von Aminosäuren in die Muskulatur.
- Energiequelle: Bei Erschöpfung der Glukosereserven, wie dies beispielsweise bei Ausdauer- oder Kraftsport der Fall ist, können BCAA in der Muskulatur zur Neubildung von Glukose verwendet werden.
- Insulinregulation: BCAA stimulieren die Freisetzung von Insulin, das wiederum die Aufnahme von Glukose und Aminosäuren aus dem Blut in die Muskelzellen fördert, was den Proteinaufbau in der Muskulatur verstärkt.
- Immunsystem: BCAA haben auch einen Einfluss auf das Immunsystem. Insbesondere Leucin kann bestimmte Abwehrzellen, wie T-Zellen oder Killerzellen, aktivieren, obwohl die Forschung in diesem Bereich noch weiter fortgeschritten ist.
- Gemeinsame Aufnahme: BCAA müssen dem Körper gemeinsam zugeführt werden, um ihre optimale Wirkung zu entfalten. Zudem benötigt der Körper für ihre Verarbeitung weitere Vitalstoffe wie Biotin, Vitamin B5 und Vitamin B6.
Viele Kraftsportler nehmen BCAA als Nahrungsergänzung ein, um ihre Trainingsergebnisse zu verbessern und die oben genannten Vorteile für ihre Muskulatur zu nutzen.
Lysin ist eine Aminosäure mit vielfältigen Aufgaben im menschlichen Körper. Im Folgenden erläutern wir seine Hauptfunktionen:
- Baustein für Proteine: Lysin ist ein grundlegender Baustein für verschiedene Proteine im Körper, darunter Transportproteine im Blut, Antikörper, Hormone, Enzyme und Strukturproteine in der Haut, den Sehnen und den Knochen, wie etwa Kollagen. Diese Proteine sind entscheidend für die Funktionsfähigkeit des Organismus.
- Stabilität von Bindegewebe: Lysin spielt eine wichtige Rolle bei der Stabilität von Bindegewebe und Blutgefäßen, insbesondere in Form von Kollagen. Es fungiert als “Klebstoff” für die Reparatur von Schäden an den Gefäßwänden und trägt so zur Integrität des Gewebes bei.
- Kalziumaufnahme: Lysin fördert die Aufnahme von Kalzium im Darm, was sich positiv auf die Gesundheit von Zähnen und Knochen auswirkt. Es unterstützt den Körper bei der effizienten Nutzung dieses wichtigen Minerals.
- Herpesviren: Interessanterweise wirkt Lysin entgegengesetzt zur entbehrlichen Aminosäure Arginin. Während Arginin Herpesinfektionen begünstigen kann, hat Lysin einen hemmenden Effekt auf Herpesviren. Daher wird Lysin in der Behandlung von Herpesinfektionen eingesetzt.
- L-Carnitin-Synthese: Lysin ist an der Herstellung von L-Carnitin beteiligt, einem vitaminähnlichen Stoff im Körper. L-Carnitin trägt zur Steigerung der Fettverbrennung bei und hat Auswirkungen auf den Energiestoffwechsel.
Insgesamt spielt Lysin eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Gesundheit und der Funktion verschiedener Gewebe und Prozesse im Körper. Es ist essentiell, dass ausreichend Lysin über die Ernährung aufgenommen wird, um diese Funktionen zu unterstützen.
Histidin erfüllt im menschlichen Körper eine Reihe wichtiger Aufgaben. Hier sind einige seiner Hauptfunktionen:
- Bestandteil kontraktiler Proteine: Histidin ist ein wesentlicher Bestandteil der kontraktilen Proteine Aktin und Myosin, die für die Kontraktion der Muskeln verantwortlich sind. Es ermöglicht die Bewegung und Flexibilität unserer Muskulatur.
- Beteiligung an der Eisenregulierung: Histidin spielt eine Rolle beim Aufbau des Eisen-Speicherproteins Ferritin und ist ein Bestandteil von Hämoglobin, dem Molekül, das Sauerstoff im Blut transportiert. Es trägt zur roten Farbe unseres Blutes bei.
- Histaminsynthese: Histidin ist die Vorstufe für die Bildung von Histamin, einem Neurotransmitter, der an Entzündungsreaktionen beteiligt ist und allergische Reaktionen auslösen kann. Bei Allergien und übermäßiger Histaminproduktion spielt Histidin eine wichtige Rolle.
- Zinkaufnahme im Darm: Histidin fördert die Aufnahme von Zink im Darm. Dieses Mineral ist für viele physiologische Prozesse im Körper, einschließlich des Immunsystems und der DNA-Synthese, von entscheidender Bedeutung.
Früher wurde Histidin als semi-essentiell angesehen, da Säuglinge und Kinder Schwierigkeiten hatten, es in ausreichenden Mengen selbst herzustellen und daher auf die Aufnahme über die Nahrung angewiesen waren. Später wurde festgestellt, dass auch der Körper von Erwachsenen nicht immer ausreichend Histidin produzieren kann, weshalb es mittlerweile zu den essentiellen Aminosäuren gezählt wird. Histidin ist somit entscheidend für verschiedene Aspekte unserer Gesundheit und erfordert eine ausreichende Zufuhr über die Ernährung.
Glutamin, eine der vielseitigsten Aminosäuren im menschlichen Körper, erfüllt eine breite Palette von wichtigen Aufgaben:
- Energielieferant: Glutamin ist eine Hauptenergiequelle für verschiedene Zellen im Körper, insbesondere für Immunzellen und Zellen im Verdauungstrakt. Bei Unfällen, schweren Operationen oder in Zeiten erhöhten Stressbedarfs, wie Krankheit oder intensivem Training, steigt der Glutaminbedarf. Daher wird es als semi-essentiell betrachtet und kann in solchen Fällen als Nahrungsergänzung gegeben werden.
- Muskelunterstützung: Glutamin fördert den Muskelaufbau, unterstützt die Regeneration nach körperlicher Betätigung und kann Muskelkater vorbeugen. Es ist auch ein wichtiger Bestandteil der Muskelzellen selbst.
- Neurotransmitter-Glutasmat: Glutamin kann zu Glutamat umgewandelt werden, einem wichtigen Neurotransmitter, der an der Signalübertragung zwischen Nervenzellen beteiligt ist.
- Entwicklung von Krebszellen: Krebszellen benötigen Glutamin für ihr Wachstum, weshalb einige Krebstherapien darauf abzielen, den Glutamintransport in die Krebszellen zu blockieren.
Glutaminsäure, die verwandte Aminosäure, hat ebenfalls bedeutsame Funktionen:
- Neurotransmitter: Glutaminsäure, auch als Glutamat bekannt, ist ein wichtiger Neurotransmitter im Gehirn. Sie beeinflusst die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit und ist an der Regulation des Nervensystems beteiligt.
- Glutathion-Herstellung: Glutaminsäure spielt eine Rolle bei der Synthese von Glutathion, einem körpereigenen Antioxidans, das Zellen vor oxidativem Stress schützt.
- Beteiligung am Harnstoffzyklus: Zusammen mit Aspartat ist Glutaminsäure am Harnstoffzyklus beteiligt, der für die Ausscheidung von Ammoniak aus dem Körper verantwortlich ist.
Glycin, Prolin, Serin und Selenocystein, obwohl nicht zu den essentiellen Aminosäuren gehörend, haben ebenfalls entscheidende Funktionen im Körper:
– Glycin: Wirkt als Baustein von Kollagen, unterstützt die Hautgesundheit, hilft bei der Fettverdauung und wirkt als Neurotransmitter, der das Nervensystem beeinflusst.
– Prolin: Ist wichtig für die Bildung von Kollagen und spielt eine zentrale Rolle bei der Gewebereparatur, der Zellerneuerung und der Regeneration von Knorpel und Knochen.
– Serin: Bestandteil von Verdauungsenzymen, Zellmembranen und Neurotransmittern wie Acetylcholin, das an der Muskelkontraktion und Lernprozessen beteiligt ist.
– Selenocystein: Als eine der 21 Aminosäuren ist Selenocystein entscheidend für die Aktivität von Enzymen wie der Dejodase, die Schilddrüsenhormone aktiviert.
Diese Aminosäuren spielen wichtige Rollen im Körper und unterstreichen die Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung, um sicherzustellen, dass sie in ausreichender Menge vorhanden sind.
Tyrosin, eine semi-essentielle Aminosäure, übernimmt vielfältige Aufgaben im Körper:
- Schilddrüsenfunktion: Tyrosin ist ein entscheidender Baustein für die Produktion der Schilddrüsenhormone Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4). Diese Hormone sind unerlässlich für die Regulation des Stoffwechsels und die Energieproduktion im Körper.
- Neurotransmitter: Tyrosin fungiert als Vorläufer für den Neurotransmitter Dopamin, der maßgeblich die Stimmung beeinflusst, Glücksgefühle auslöst und kognitive Funktionen unterstützt. Dies wirkt sich positiv auf die geistige Leistungsfähigkeit und das emotionale Wohlbefinden aus.
- Stresshormone: Tyrosin dient auch als Vorläufer für die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin. Diese Hormone spielen eine zentrale Rolle in der Stressreaktion und können die kognitive Funktion beeinflussen.
- Melaninproduktion: Tyrosin ist am Prozess der Melaninproduktion beteiligt, dem Pigment, das für die Haut-, Augen- und Haarfarbe verantwortlich ist.
Tyrosin wird aus Phenylalanin hergestellt und gehört zu den semi-essentiellen Aminosäuren. Solange ausreichend Phenylalanin in der Ernährung vorhanden ist, kann der Körper ausreichend Tyrosin produzieren. Allerdings gibt es bestimmte Situationen, wie bei Neugeborenen und Personen mit der Stoffwechselstörung Phenylketonurie, in denen Tyrosin über die Nahrung zugeführt werden muss.
Die richtige Zufuhr von Tyrosin ist entscheidend für eine gesunde Schilddrüsenfunktion, Stimmungsregulation und Stressbewältigung. Personen, die Schwierigkeiten haben, ausreichend Tyrosin aus der Nahrung zu gewinnen, sollten möglicherweise ihre Ernährung oder Nahrungsergänzungsmittel überdenken. Beachten Sie jedoch immer, dass Sie vor der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln oder Änderungen Ihrer Ernährung Ihren Arzt konsultieren sollten, um sicherzustellen, dass sie für Ihre individuellen Bedürfnisse geeignet sind.
Video dazu von Robert Franz: